Lakshmi – Göttin der Fülle
- Carmen Riahy
- 10. Aug. 2023
- 7 Min. Lesezeit
Wie Sie im Augenblick ankommen und dem Glück die Pforten öffnen
Vor wenigen Tagen bin ich von einem traumhaften Sommerurlaub am Meer mit meiner Familie zurückgekehrt. Wir hatten herrliche Sonnentage am Strand, üppiges Grün und wunderschön blühende Natur im Hinterland, haben viel gelacht, lecker gegessen und Sonnenuntergänge bewundert.

Diese Sommertage sind für mich der Inbegriff der Fülle, welche die indische Göttin Lakshmi verkörpert.
Lakshmi - Göttin der Fülle:
„Lakshmi ist die Göttin der Schönheit, des Glücks und des Reichtums. Damit repräsentiert sie die Fülle des Seins. Doch geht es hier nicht allein um materiellen Wohlstand, sondern um innere Harmonie sowie seelisches und körperliches Wohlbefinden. Lakshmi wird zugleich als Göttin der Gesundheit und Fruchtbarkeit verehrt. Sie verkörpert das Prinzip der gnädigen und gütigen Urmutter, die alle Lebewesen schützt.“
[Kalashtra Govinda: „Shiva Shiva! – Das Geheimnis der indischen Götter – Mythen, Meditationen, Rituale“. Kailash Verlag 2014, S. 106]

Lakshmi ist meine absolute Lieblingsgöttin! Wenn ich Teil des Götterhimmels sein dürfte, würde ich dort oben als Lakshmi residieren.
Nun fragen Sie sich natürlich, was die Dame eigentlich mit Ihnen zu tun hat und warum ich ihr einen Blogeintrag widme. Und vielleicht denken Sie: An den indischen Götterhimmel mögen vielleicht die Hindus glauben, aber wir aufgeklärten Europäer sind doch weit von solchem Humbug entfernt.
Da haben Sie natürlich recht und auch ich glaube selbstverständlich nicht an real existierende Götter in Menschengestalt. Dennoch ist es durchaus lohnenswert, sich mit den hinduistischen Göttern zu beschäftigen, weil sie uns sehr anschaulich verschiedene Aspekte unseres Daseins verkörpern. Da wir als Menschen in unserer Vorstellung stark an das Bildliche gebunden sind, fällt es uns leichter, gewisse Zusammenhänge zu erfassen, wenn wir sie in Form von Götterfiguren und Göttergeschichten vor Augen geführt bekommen.
Lakshmi als Göttin und Repräsentantin der Fülle, d.h. des inneren und äußeren Reichtums, weckt mein Interesse immer wieder auf besondere Weise, weil ihre Energie im Gegensatz zu dem steht, was die Paradigmen unserer Zeit vorgeben und wovon auch ich stark beeinflusst bin, nämlich dem Glauben an den Mangel:
In unserer von der Technik, dem Leistungsgedanken und vom Konsum geprägten Welt scheint ständig von allem zu wenig da zu sein. Vor allem unser Verhältnis zur Zeit ist stark von unserem Glauben geprägt, dass es zu wenig davon gebe. Diesen Gedanken möchte ich Ihnen gerne anhand meiner eigenen Erfahrung mit der Zeit erläutern:
Die Zeit rennt – oder doch nicht?
Vielleicht ist es bei Ihnen ähnlich: Mein Leben war bis vor Kurzem bestimmt vom Glauben an den Mangel an Zeit. Schon morgens stand ich mit dem Gedanken auf, dass die Zeit knapp sei und ich alles möglichst schnell erledigen müsse. In gewissem Maße stimmte das natürlich auch: Um nicht anzuecken, muss ich Termine pünktlich einhalten und die Kinder sollten zu einer bestimmten Uhrzeit im Kindergarten sein.
Letzteres eine wahre Herausforderung! Kinder kennen (zum Glück) noch keinen Zeitdruck. Sie nehmen sich für das Zeit, was sie gerade interessiert: die Eichhörnchen im Baum, die schöne Blume am Wegrand, außergewöhnliche Steine und Stöcke, die in der Sammlung nicht fehlen dürfen. Mein Interesse an Eichhörnchen am Morgen, wenn wir „schon wieder zu spät“ auf dem Weg zum Kindergarten waren, belief sich gegen Null. Ich entwickelte sogar leichten Groll gegen die Eichhörnchen, die ausgerechnet in diesem Moment erscheinen mussten – drei wertvolle Minuten am Morgen verschwendet an Eichhörnchen! Für die Blumen war dann meistens keine Zeit mehr und es kam zum Streit zwischen mir und meinem Sohn, was wiederum wertvolle Zeit kostete. Trotz aller Eile am Morgen waren wir oft spät und kamen ziemlich erschöpft am Kindergarten an.
Auch am Wochenende stand ich mit dem gleichen Gefühl von Eile auf und glaubte, einen Preis zu gewinnen, wenn ich möglichst viel in möglichst kurzer Zeit erledigte. Nachdem mir dieser Preis auch nach mehreren Jahren nicht verliehen wurde, beschloss ich eines schönen Sommertags ein Selbstexperiment zu starten:
Ich entschied mich dafür, ab jetzt einfach genug Zeit zu haben und alles in Ruhe zu machen.
Und jetzt kommt das Paradoxe: Obwohl ich meine Handlungen langsamer ausführte, hatte ich auf einmal genügend Zeit! Seither kommen wir meistens pünktlich und entspannt am Kindergarten an, auch wenn uns fünf Eichhörnchen und drei Blumen begegnen, die wir gebührend bewundern.
Ganz durchschaut habe ich diese Paradoxie noch nicht. Ich vermute, der Grund liegt darin, dass ich mir nicht mehr den Druck mache, zu viele Dinge in zu kurzer Zeit zu erledigen. Früher glaubte ich ja, dass die Zeit knapp sei und ich deswegen schnell möglichst viel erledigen müsse. Mein Ziel war es, Zeit zu sparen, um später möglichst viel „freie Zeit“ zu haben. Diese Rechnung war ganz klar nicht aufgegangen. Stattdessen hatte ich es mit einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung zu tun:
Mein eigener Glaube an den Mangel an Zeit führte zu einem tatsächlichen Mangel an Zeit.
Des Weiteren spielt wahrscheinlich eine Rolle, dass ich viel entspannter bin, wenn ich glaube, dass ich die Zeit auf meiner Seite habe. Dadurch sind dann auch die Kinder entspannter und die morgendliche Routine verläuft harmonischer und reibungsloser.
Ein weiterer Grund ist sicher, dass ich aus dem Gefühl der Eile heraus unnötig oft hin und her lief und Dinge vergaß.
Ich möchte Sie dazu ermuntern, dieses Experiment mit der eigenen Einstellung zur Zeit zu machen und mir anschließend Ihre Erfahrungen mitzuteilen. Ich bin sehr gespannt, wie es Ihnen damit ergeht!
An dieser Stelle muss ich fairerweise zugeben, dass ich etwas geflunkert habe: Ich beginne mein Experiment in regelmäßigen Zeitabständen neu, weil ich zwischendurch immer wieder in mein altes Verhaltensmuster zurückfalle. Der alte Glaubenssatz, dass ich einem Mangel an Zeit unterliege, ist so stark, dass er ab und zu wieder die Oberhand gewinnt. Vermutlich ist es leichter mit dem Rauchen aufzuhören. Ich gebe mich aber nicht geschlagen und ersetze meinen alten Glauben an den Mangel immer wieder durch folgende Prämisse:
„Ich habe genug Zeit, genug Kraft und genug innere Gelassenheit, um die Dinge, die ich tun muss und tun will, in aller Ruhe erfolgreich auszuführen.“
Lassen auch Sie sich nicht von „Rückfällen“ entmutigen. Es wird sich lohnen!
Die Fülle des Augenblicks
Wenn wir aus dem Glauben an einen Mangel an Zeit heraus agieren, befinden wir uns meistens auf Autopilot im „Erledigungsmodus“. Während wir dabei sind, die eine Handlung auszuführen, sind wir in Gedanken schon bei der nächsten und fragen uns, wann wir endlich fertig sind, um dann einen neuen Punkt auf der To- Do-Liste abzuhaken.
Dieses Abarbeiten und Abhaken von Erledigungen kann – am Ende der To-Do-Liste angekommen – für einen kurzen Moment befriedigend sein. Aber die Crux bei der Sache ist, dass unsere To-Do-Listen eigentlich nie enden. So lange wir leben, werden wir immer gewisse Dinge zu erledigen haben und das ist auch nicht schlimm. Wichtig ist nur, mit welcher Einstellung wir unsere täglichen Handlungen ausführen:
Egal, was wir tun, ist es meiner Erfahrung nach lohnenswert, den Dingen unsere volle Aufmerksamkeit und Konzentration zu schenken, d.h. zu hundert Prozent bei der Sache zu sein: beim Kochen, Abwaschen, beim Befüllen von Excel-Tabellen, bei der Gartenarbeit etc.
Diese absolute Präsenz im Hier und Jetzt zu spüren, ist erstmal recht ungewohnt und bedarf einiger Übung. Eine regelmäßige Yoga- und/oder Meditationspraxis hilft dabei, unsere Aufmerksamkeit voll und ganz auf den jeweiligen Augenblick zu lenken und uns dies zur Routine werden zu lassen. „Rückfälle“ sind auch hier ganz normal. Phasenweise werden Sie sich fühlen wie der Zen-Meister höchstpersönlich, in anderen Momenten werden Sie feststellen, dass Ihre Gedanken Karussell mit Ihnen fahren und sich unbemerkt wieder der Autopilot eingeschaltet hat. Zumindest meiner Erfahrung nach ist dies so.
Aber in den Momenten, in denen ich wirklich hundertprozentig präsent bin, stellt sich bei mir ein sehr angenehmes Gefühl von Ruhe und Zufriedenheit ein. Das was ich tue, erfüllt mich dann zu hundert Prozent.
Natürlich besteht unser Leben nicht nur aus Pflichten und Erledigungen, sondern auch aus jenem Teil, der fürs Genießen prädestiniert ist. Sind wir in unserem alltäglichen Autopilot-Modus, verpassen wir diese Momente nur allzu häufig durch innere Abwesenheit.
Lassen Sie den Augenblick all seine Fülle entfalten, zum Beispiel wenn Sie intensiv einem Musikstück lauschen, Ihren Kaffee in all seinen Komponenten schmecken und genießen, wenn Sie hinaus gehen in die Natur etc.

Genießen – meinem Gefühl nach ist dies etwas, das wir viel zu selten tun. Im Urlaub oder am Wochenende erlauben wir uns eventuell das Genießen, unserem Alltag ist es häufig fremd. Warum ist das überhaupt so?
„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ – wer schreibt uns das eigentlich vor?
Falls Sie – wie ich – in Deutschland aufgewachsen sind, war dies wahrscheinlich einer der häufigsten Sprüche, den Sie in Ihrer Kindheit gehört und verinnerlicht haben: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“
Ein gewisses Maß an Pflichtbewusstsein ist mit Sicherheit notwendig, um gut durchs Leben zu kommen. In unserer Gesellschaft scheint die Pflicht der Lebensfreude aber übergeordnet zu sein.
In meiner Zeit in Venezuela stellte ich fest, dass die Prioritäten dort anders gesetzt werden, sozusagen: „Erst das Vergnügen, dann die Arbeit“. Dies gefiel mir damals sehr gut. Ich erinnere mich gerne zurück an diese Welt, die meinem Empfinden nach geprägt war von Musik, Tanz, Lachen, Gemeinschaft und Spontaneität.
Heute würde ich sagen, dass wahrscheinlich ein gesundes Mittelmaß an Pflichterfüllung und Vergnügen erstrebenswert ist.
Was ich in unserer Gesellschaft beobachte, ist z.B., dass es in der Arbeitswelt immer üblicher wird, nur kurze oder keine Mittagspausen zu machen. Als ob es nicht richtig und notwendig wäre, sich nach mehreren Stunde Arbeit im Rahmen der Pause körperlich und geistig so gut wie möglich zu regenerieren. Stattdessen tendieren wir dazu, die Pausen erst dann zu machen, wenn wir schon kurz vorm Umfallen sind.
Dieses Beispiel aus der Bürowelt lässt sich auf unsere ganze Art zu leben übertragen: Wir glauben häufig, dass wir uns erst dann erlauben dürfen, unser Leben zu genießen, wenn wir bestimmte Dinge erreicht haben. Wir peilen gewisse Ziele an und sind der festen Überzeugung, dass wir nach Erreichen dieses Zielpunktes bereit sind, glücklich zu sein: Das Abitur, der Uniabschluss, bestimmte berufliche Veränderungen, die Heirat, das Kinderkriegen, das neue Zuhause, das neue Auto und die Rente können solche Zielpunkte sein. Der Zustand vor Erreichen dieser Ziele scheint mangelbehaftet zu sein, eine Art Wartezone.
Selbstverständlich halte ich es für wichtig, Ziele im Leben zu haben, aber Sie sollten uns nicht davon abhalten, jedem Tag so viel Freude und Genuss wie nur möglich abzugewinnen!
Überlegen Sie, was Sie persönlich in Ihrem Leben erfüllt, was Sie glücklich und zufrieden sein lässt, und holen Sie sich davon so viel wie nur möglich in Ihren Alltag!
Die Fülle Lakshmis lässt sich nicht festhalten
Wie wir alle aus Erfahrung wissen, ist nicht jeder Augenblick dazu bestimmt, uns Glück empfinden zu lassen: Manche Momente sind einfach nur anstrengend, andere traurig und wieder andere furchtbar langweilig.
Die Fülle Lakshmis lässt sich leider nicht festhalten, sie muss fließen.
Wie alles im Leben sein Gegenteil hat, so offenbart auch die Fülle in regelmäßigen Abständen ihr Gegenteil – und was ist eigentlich das Gegenteil von Fülle?
Bisher habe ich geglaubt, es sei der „Mangel“, zutreffender ist aber das Wort „Leere“. „Mangel“ weckt die Assoziation, dass Fülle nie wieder möglich sein wird. „Leere“ beinhaltet, dass die Fülle jeden Moment wieder einströmen wird.
Am Beispiel unserer Natur lässt sich dies gut nachvollziehen: Wir haben in unseren Breiten etwa fünf kalte Monate, in denen die Vegetation abgestorben zu sein scheint, absolute Leere. Und dann plötzlich explodiert die Natur förmlich, ist durch und durch erfüllt von neuem frischem Leben. Als ob die Urmutter Lakshmi aus einem langen Winterschlaf erwacht sei, um mit neuer Kraft Schönheit in die Welt zu zaubern.
Der Sommer lädt uns – im Sinne Lakshmis – dazu ein, die Fülle des Daseins aufzusaugen und dem Glück die Tore zu öffnen.
Ich ermuntere Sie dazu, diesen Sommer als Inspiration zu nutzen, um die Fülle und die Schönheit in der Welt sowie Ihre eigene innere Fülle und Schönheit zu feiern!
Das ist das Beste, was ich für mein Leben je gelesen habe, vielen Dank dafür!!!
"Ich habe genug Zeit, genug Kraft und genug innere Gelassenheit, um die Dinge, die ich tun muss und tun will, in aller Ruhe erfolgreich auszuführen."
Das habe ich mir als Leitspruch für mein Leben auf einen Zettel geschrieben und trage diesen zur Erinnerung ab jetzt ständig bei mir.
Das freudige und spontane Leben sind erstrebenswert. Diese Aussagen aus dem Beitrag sind für mich hervorragend:
Die Fülle des Augenblicks
Präsenz im Hier und Jetzt
Anstatt innerer Abwesenheit: den Augenblick all seine Fülle entfalten lassen
Soviel Freude und Genuss wie nur möglich
Leere - Fülle (anstatt Mangel - Fülle)
Zum Schluss kommt dann das erstrebenswerte Ziel:
Die…